Freitag, 24. Juli 2015

Ooooch, DAS ist ja toll! DAS könnte ich aber nicht...!

Warum ich für Geld und nicht für Dankbarkeit und Liebe arbeite

 

Ich bin Erzieherin und ich arbeite nicht in einer Kita. Huch...  schon das allein verwirrt einige Mitmenschen die keine Vorstellung davon haben, wie groß der SuE wirklich ist, und wie vielfältig. Ich arbeite in einer pädagogisch betreuten Wohneinrichtung für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung, besser bekannt als "Behindertenwohnheim". Ich mache keine Pflege, ich arbeite nicht mit PatientInnen und ich habe keine medizinischen Kenntnisse die über das normale und alltägliche hinausgehen. Oft, wenn ich gefragt werde was ich beruflich mache, kommt dann der berühmt-berüchtigte Satz:" Ooooch, das ist ja toll! Das könnte ich aber nicht...!". Natürlich könnte das Person XY nicht, in der Regel hat sie weder eine Fachausbildung für meine Tätigkeit noch die leisete Ahnung davon was ich eigentlich tue. Häuftig folgt dann der Satz:" Die sind ja aber auch sooo liebenswert, und Die geben einem ja auch so viel Liebe und Dankbarkeit zurück!" Hm..., erstmal sind Die ebenso unterschiedlich wie alle anderen Menschen auch, zweitens möchte ich weder Dankbarkeit noch Liebe von den Menschen die ich in ihrem Alltag unterstütze und betreue, und drittens ist ein professionelles Verhältnis zu den BewohnerInnen unabdingbar für eine gute Arbeit. Dankbarkeit und Liebe sind Attribute einer freundschaftlichen, emotionalen und sehr persönlichen Beziehung und würden mich und meine KollegInnen in allen Bereichen des SuE daran hindern meine/unsere Arbeit professionell, fachlich und gut zu tun. Mal ganz abgesehen davon, daß wohl niemand wirklich dankbar ist wenn sie oder er zum x-ten Mal am Tag zum Duschen oder Mülldienst aufgefordert wird ;-)

Ohne Bezahlung würde ich den Job nicht machen

 

Für das was ich tue habe ich eine Ausbildung genossen, Erzieherin ist ein staatlich anerkannter Beruf den nicht jedeR mal eben so ausüben kann und sollte. Neben der persönlichen Qualifikation erfordert die Arbeit eine hohe fachliche Kompetenz, ständige (Selbst-)Reflexion und die Bereitschaft zur Fort- und Weiterbildung. In der Behindertenhilfe bedeutet es außerdem, daß im Schichtdienst gearbeitet wird, an Wochenenden, Feiertagen, früh morgens, abends und nachts, daß man verbalen und körperlichen Aggressionen und Angriffen ausgesetzt ist und bei all dem die persönliche Psychohygiene niemals vernachlässigen sollte. Selbstverständlich kann das nicht jedeR... Und deshalb arbeite ich nicht für das Lächeln der BewohnerInnen oder die hilflose "Bewunderung" von Mitmenschen die nicht wissen, was sie sagen sollen. Ich arbeite für GELD! Wie alle anderen Menschen in ihren Berufen auch. Das mag für die eine oder den anderen tatsächlich erschreckend sein, aber weder Lächeln noch Dankbarkeit zahlt meine Rechnungen. Was viele aber noch mehr erschreckt als die Tatsache, daß ich wirklich Geld für meine Arbeit verlange ist die Höhe des Gehalts das ich dafür bekomme. Viele setzen sich erstmal oder fragen nach, ob das "netto" ist... Wenn sie dann hören, daß ich schon über 20 Jahre im Beruf bin und all meine Erfahrungsstufen sofort verliere wenn ich den Arbeitsplatz wechseln würde kommt meist ein langes Kopfschütteln und dann gar nichts mehr. Im persönlichen Gespräch wird mir oft versichert, daß meine Arbeit soooo wichtig sei und daß ich und alle anderen im SuE doch eigentlich sehr viel mehr verdienen müßten als das, was wir tatsächlich bekommen. Ja, das sehe ich auch so. Deshalb ist es auch an der Zeit, endlich etwas an dem Ansehen und der Bezahlung der Beschäftigten und der Tätigkeiten im SuE zu verändern und den Bereich anständig aufzuwerten. Nicht nur, aber auch finanziell, denn Anerkennung im beruflichen Bereich hängt in unserem Land zwingend mit der Bezahlung zusammen. Mit den sogenannten "LeistungsträgerInnen", von denen so gern gesprochen wird, sind äußerst selten diejenigen gemeint die für die Gesellschaft arbeiten, sondern diejenigen, die überdurschnittlich gut verdienen (egal für was). Auch da sollte (muß) sich einiges am Blickwinkel der Verantwortlichen ändern.

Mein Arbeitsplatz - Dein Lebensmittelpunkt

 

Ich arbeite in einer Wohneinrichtung, d.h. die Menschen mit denen und für die ich arbeite sind dort zuhause. Sie sind erwachsen und wollen unabhängig von ihren Eltern und anderen Angehörigen als Erwachsene leben und wahrgenommen werden, so wie alle anderen Menschen auch. Sie haben in der Wohngruppe ihren Lebensmittelpunkt, verbringen dort die meiste Zeit des Tages und erwarten zu recht, daß ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse die Grundlage meiner Arbeit sind. Das erwartet auch die zahlende Behörde und der Einrichtungsträger. Doch je schlechter meine Arbeitsbedingungen sind, desto schlechter sind auch die Lebensbedingungen der Menschen die in der Einrichtung wohnen. Wenn zuwenig Personal zur Verfügung steht, Dienste zu oft mit nur einer Erzieherin besetzt sind, die KollegInnen überlastet sind, administrative Arbeit die Zeit für die Arbeit mit den Menschen nimmt, die Räumlichkeiten ein gutes Arbeiten nicht möglich machen, dann hat das alles direkten Einfluß auf das Leben der Menschen mit Behinderung die in einer solchen Einrichtung wohnen. Großen Einfluß hat auch, ob die Trägerleitung die ErzieherInnen befristet oder unbefristet einstellt, denn unnötige Befristungen erschweren die Beziehungsarbeit und das für beide Seiten notwendige Vertrauen ineinander, das eine gute pädagogische Arbeit erst möglich macht. Gerade die Arbeit mit Menschen erfordert Kontinuität und Verlässlichkeit. Doch nicht nur die vom Träger zu verantwortenden Befristungen tragen zum häufigem Wechsel im stationären Bereich der Behindertenhilfe bei, die Arbeitsbedingungen, die mäßige Bezahlung, der Schichtdienst, die oftmals nicht gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf und nicht vorhandene Aufstiegsmöglichkeiten veranlassen viele KollegInnen schon nach durchschnittlich 5-7 Jahren (es gibt dazu unterschiedliche Zahlen) einen neuen Tätigkeitsbereich oder gar einen neuen Beruf anzustreben. Tarifbindung ist selten geworden, in Hamburg gibt es nur noch einen einzigen Träger der stationären Behindertenhilfe der tarifgebunden ist und nach kommunalem Tarif zahlt. Es gibt Haustarifverträge, aber die sind oft deutlich schlechter für die Angestellten als der kommunale Tarif. Es ist an der Zeit im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention die Lebensbedingungen der Menschen mit Behinderung die in stationären und ambulanten Wohneinrichtungen wohnen und betreut werden, deutlich zu verbessern. Und das geht nur, wenn auch die Arbeitsbedingungen für die dort beschäftigten ErzieherInnen, SozialpädagogInnen, HeilerzieherInnen, HeilerziehungspflegerInnen, Nichtfachkräfte im Assistenzdienst und Hauswirtschaftskräfte deutlich verbessert werden. Das kostet Geld, klar, aber schöne Sonntagsreden allein bringen nichts. Das Geld ist da, in diesem Bereich könnte man damit viel Gutes tun und bestimmt ist dann auch die eine oder der andere ein bißchen dankbar und schenkt den Verantwortlichen ein Lächeln...

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