Freitag, 24. Juli 2015

Wir sind ein Sonderfall - Warum Solidarität nicht heißen kann, daß man nicht gefragt wird...

ver.di befragt die Mitglieder zum Schlichterspruch des SuE - alle außer die HamburgerInnen. Und ich frage mich: Warum?

 

Die hamburger Arbeitgeber sind nicht in der VKA organisiert, sondern schon seit etlichen Jahren (Jahrzehnten) in der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg (AVH). Mit dieser werden die Tarifverträge für die hamburger kommunalen Dienste abgeschlossen. Die AVH ist Beisitzer in den Verhandlungen mit der VKA, hat dort aber kein Stimmrecht. Auch hamburger ver.di-KollegInnen sitzen in der Bundestarifkommission. Soweit, so gut.
In Hamburg gab es, wie in allen anderen Bezirken auch, Warnstreiks im Frühjahr. Die hamburger KollegInnen haben, wie alle anderen auch, an der Urabstimmung teilgenommen und für einen unbefristeten Streik unserer Forderungen gestimmt. Auch die Eingruppierungsregelungen der hamburger KollegInnen sind gekündigt, ebenso wie die aller anderen Bezirke. In den Warnstreikzeiten und in den vier Wochen Streik im Mai und Juni waren täglich viele KollegInnen auf der Straße, zuletzt täglich mehr als 1000, wir hatten eine Großdemo in HH und sehr viele engagierte KollegInnen auf den Streikaktiventreffen. Von anfänglich 6-15 anwesenden KollegInnen auf den Treffen hat sich die Zahl um ein vielfaches erhöht (ich schätze jetzt mal auf ca 100, gezählt habe ich nicht). Außerdem haben wir mit Delegierten an der bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz teilgenommen, gleich- und stimmberechtigt wie alle anderen auch.
Jetzt wird Hamburg mit dem Argument, das alles hätte nur aus Solidarität mit den anderen verdi-Bezirken und den KollegInnen dort stattgefunden, von der niemanden bindenden Mitgliederbefragung ausgeschlossen. Die Frage ist wirklich: warum? Wir haben ebenfalls noch kein Angebot von der AVH, im Gegenteil, der letzte Verhandlungstermin wurde mit der Begründung abgesagt, daß es noch kein Bundesergebnis gibt. Die AVH will sich am Ergebnis auf Bundesebene orientieren und die Mitgliederbefragung sowie die Entscheidung der Bundestarifkommission abwarten, bevor sie sich überhaupt zu Verhandlungen auf hamburger Ebene einläßt. Wir sind also ebenso direkt vom Schlichterspruch betroffen wie alle anderen KollegInnen auch. Auch wir haben für unsere Aufwertung gestreikt und gekämpft, auch wir befinden uns nach wie vor im unbefristeten Streik, und das bestimmt nicht nur aus Solidarität mit den KollegInnen aus den restlichen Bundesländern!
Das Argument kam auch erst auf, als es Nachfragen gab warum wir nicht mit abstimmen dürfen, ich jedenfalls habe vorher nie gehört, daß unser Streik ausschließlich aus Solidarität geschieht. Das stand weder auf dem Abstimmungszettel zur Urabstimmung, noch wurde es so deutlich auf den diversen Demos und Treffen formuliert. Und ich glaube nicht, daß wir so viele KollegInnen über so lange Zeit im Streik gehabt hätten wenn sie gewußt hätten, daß sie nicht auch für sich selbst und ihre Forderung nach Aufwertung streiken.

Könnte es sein, dass...

 

Könnte es sein, daß hinter dem Ausschluß von der Mitgliederbefragung die Absicht steckte uns hamburger KollegInnen den Wind aus den Segeln zu nehmen? Als es in die Schlichtung ging waren viele KollegInnen sehr enttäuscht und ernüchtert, denn mit diesem Schritt hatte nach den Streikwochen, so wie sie gelaufen waren, niemand gerechnet. Der Frust war groß und wurde auch kundgetan. Auf der Streikdelegiertenkonferenz in Frankfurt/Main sprachen sich die allermeisten Delegierten gegen die Annahme des Schlichterspruchs aus. Vorher hatte Frank Bsirske öffentlich für eine Annahme des Schlichterspruchs plädiert, nach dem Motto "lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach". Dieser Auffassung sind die Delegierten und auch die meisten Mitglieder nicht gefolgt, auch wenn alle unter dem Druck der Eltern der Kitakinder und der Medien gestanden haben. Das Ergebnis der Schlichtung ist eine Beleidigung für die Beschäftigten des SuE und von Aufwertung weiter entfernt als die Erde von der Sonne. Da der Vorstand es anscheinend nicht hinnehmen konnte und wollte, daß die Streikdelegiertenkonferenz mit dem Ergebnis zuende geht, daß der Schlichterspruch abgelehnt ist, wurde, quasi um Zeit zu gewinnen, das Instrument "Mitgliederbefragung" eingesetzt. Denn niemand kann ernsthaft etwas dagegen haben wenn die Mitglieder nach ihrer Einschätzung des Schlichterspruchs gefragt werden. Diese Befragung ist nicht bindend für die Bundestarifkommission (BTK) und hat auch sonst keinerlei rechtliche Relevanz. Sollte das Votum der Mitglieder jedoch deutlich NEIN heißen, so wird sich die BTK nach Aussage des Vorstands an diesem Votum "orientieren". In den Bezirken in denen die Mitglieder befragt werden besteht aufgrund der Befragung natürlich immer noch ein  Kontakt der streikenden KollegInnen untereinander und zu verdi. Die KollegInnen beschäftigen sich mit dem Schlichterspruch und mit möglichen Konsequenzen einer Annahme oder Ablehnung. In Hamburg gab es ein Streikaktiventreffen, das leider sehr viel schlechter besucht war als die Treffen während des aktiven Streiks, auf dem das Ergebnis der Schlichtung "erklärt" wurde. Die Luft ist raus, es gibt zwischendurch keine Informationen was in anderen Bundesländern oder Bezirken läuft, der Alltag ist eingekehrt, die Kitas haben Schließzeiten und viele KollegInnen sind im Urlaub. Die Teilnahme an der Abstimmung hätte uns in Spannung gehalten und uns evtl. die Zeit bis zum Verhandlungsbeginn mit der AVH aktiv überbrücken lassen. So sind die meisten frustriert und enttäuscht, daß sie nicht an der Befragung teilnehmen dürfen und wenden sich von einem aktiven Engagement wieder ab. Schade - aber war das nicht absehbar? War das vielleicht sogar beabsichtigt? Die ganze Streikenergie und -motivation bei Verhandlungen mit der AVH wieder aufzubauen wird sehr schwer sein, evtl. ist es ja auch gewünscht, daß diese Verhandlungen quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit und unbegleitet von Streiks über die Bühne gehen. Dann wird das Bundesergebnis (so es denn eines gibt), still und leise übernommen, wir hamburger KollegInnen werden froh sein sollen, daß es ein paar Almosen gibt (nicht für alle, aber für ein paar von uns) und ansonsten auf die allgemeinen Tarifverhandlungen im März 2016 warten. 
Das alles geht mir an Gedanken zu den Gründen für den Ausschluß der hamburger KollegInnen von der Mitgliederbefragung durch den Kopf. Und noch etwas: Hat da jemand (auf Bundesebene) etwa Angst vor dem Votum der hamburger Basis? Die Hauptamtlichen hier in Hamburg jedenfalls haben gemeinsam mit uns für unsere Aufwertung gekämpft und unsagbar viel Energie und Engagement aufgebracht. Ich kann und will nicht glauben, daß sie das, was sie uns jetzt im Namen des Bundesvorstands als "Erfolg" verkaufen sollen/müssen wirklich als Aufwertung und Erfolg sehen.


Das Objekt der Begierde

 

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